Wenn es um eine intelligente, zukunftweisende und dabei stabile Energieversorgung geht, spielt Vehicle-to-Grid (V2G) eine wesentliche Rolle. Denn diese Technologie nutzt die Batterien von Elektroautos sowohl als mobile Kraftwerke als auch als Speicher. Klingt einfach – die Umsetzung ist aber alles andere als trivial. Das fängt beim Fahrzeug und der richtigen Ladestation an, verlangt die entsprechenden Kommunikationsstandards zwischen allen Beteiligten und hört bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen auf.
Das Potenzial von Vehicle-To-Grid
Die Energiekrise führt aktuell allen deutlich vor Augen: Die Energieversorgung mit fossilen Kraftstoffen ist teuer und schafft gefährliche Abhängigkeiten. Beides trifft auf erneuerbare Energien nicht zu, weshalb diese bis zum Jahr 2030 entsprechend dem Ziel der Bundesregierung 80 Prozent des Strombedarfes in Deutschland decken sollen. Die Herausforderung dabei ist die Volatilität von Wind und Sonne.
Ein
intelligentes Stromnetz – auch bekannt als „Smart Grid“ – bei
dem die Energie zwischengespeichert wird, um sie bei Bedarf abzurufen, ist ein
entscheidender Hebel, um eine stabile Energieversorgung zu gewährleisten und
die Klimaziele kosteneffizient zu erreichen. Ein unabdingbarer Teil dieses
Smart Grids sind flexible Speicher . Das Beste daran: Diese
fahren unter anderem in Form von Elektroautos bereits millionenfach auf
deutschen Straßen herum.
Das Problem: Das Potenzial bleibt aktuell die meiste Zeit ungenutzt, etwa wenn die Autos parken und somit nicht in Bewegung sind. Zahlreiche aktuelle Studien u. a. des Fraunhofer Instituts (2021), der Stiftung Klimaneutralität und die Agora Energiewende (2021) sind sich jedoch sicher: Der notwendige neue Weg der Energieversorgung führt mitunter über Vehicle-To-Grid. „Davon ausgehend, dass 25 Prozent der Elektro-Pkw im Jahr 2035 Vehicle-to-Grid nutzen und davon durchschnittlich 40 Prozent der Fahrzeuge für den Strommarkt bereitgestellt werden, beträgt die nutzbare Leistung 28 Gigawatt. Obwohl die Leistung nur für kurze Zeiträume von wenigen Stunden bereitgestellt werden kann, verringert Vehicle-to-Grid den Bedarf an kleinen Batteriespeichern in Eigenheimen sowie den Bedarf an Großbatteriespeichern. Damit trägt es zur effizienten Nutzung von erneuerbarem Strom und Ressourcen bei “, heißt es in der Studie „Klimaneutrales Stromsystem 2035” von Agora Energiewende.
Realisierte V2G-Projekte
Dass Vehicle-to-Grid funktioniert, haben wir bereits im Jahr 2018 in Hagen bewiesen, als erstmals ein Nissan Leaf in einer V2G-Anwendung nach den Richtlinien der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E, Amprion) wie ein Großkraftwerk präqualifiziert und das Elektroauto für die Primärregelleistung (PRL) zugelassen wurde. Auch der Besitzer profitierte: Der Nissan Leaf „verdiente“ damals gut 20 Euro pro Woche, indem er mit lediglich maximal acht Kilowatt Leistung am PRL-Markt teilnahm.
Wie V2G in ein gesamtheitliches Energiekonzept integriert werden kann, zeigte The Mobility House gemeinsam mit Renault und dem Energieversorger Empresa de Electricidade da Madeira S.A (EEM) auf der Insel Porto Santo (Inselgruppe Madeira). Wie der Projektname „Smart Fossil Free Island“ schon verrät, sollte der Energiehaushalt der Insel frei von CO2-Emissionen bestritten werden. Dafür hatte The Mobility House die intelligente Software EV Aggregation Platform entwickelt. Diese optimierte das Zusammenspiel zwischen herkömmlichen Elektroautos, stationären Second-Life-Batteriespeichern und bidirektionalen Elektrofahrzeugen (V2G), welche die Energie aus ihren Akkus wieder ans Stromnetz abgaben.
Die Umsetzung von V2G
Nun liegt es am Gesetzgeber, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, damit V2G auch Realität wird . Ohne eine klar definierte Regulatorik bleiben alle Beteiligte im Ungewissen. Aber wie klar sind die Vorgaben in Deutschland und wie sieht es in anderen Ländern aus? Wie ordnet der Gesetzgeber die Batterien der Elektrofahrzeuge im Smart Grid im Erneuerbare-Energien-Gesetz 2023 (EEG) und dem Energie-Umlagen-Gesetz (EnUG) ein? Ein Überblick über die Verordnungen relevanter Länder und die technischen Voraussetzungen gibt u. a. Antwort auf die Frage, ob es sinnvoller ist, die für das bidirektionale Laden notwendige Technik im Auto oder in der Wallbox zu belassen.
Was muss die Wallbox können?
Wenn es beim bidirektionalen Laden um Wallboxen geht, tobt aktuell eine Diskussion, die an die Zeiten von Betamax-Videokassetten und VHS erinnert. Die Frage, an der sich die Geister scheiden, lautet, ob die Rückspeisung der Energie vom BEV in das Stromnetz per AC (also mit dem bidirektionalen Ladegerät im Auto) oder per DC (mit der erforderlichen Technik in der Wallbox) erfolgt. Wiegt man die Konzepte gegeneinander auf, ergeben sich für den Einstieg Vorteile für die Gleichstrom-Wallbox-Variante, zu der auch die meisten Automobilhersteller tendieren.
Zwar kostet bei der Gleichstrom-Variante des Rückladens die Wallbox mehr, bietet jedoch einige Vorzüge . Die länderspezifischen Netzanforderungen der Rückspeisung werden durch den Hersteller der Wallbox geregelt, was einfacher umsetzbar ist als bei Automobilen. Außerdem ist die Leistungselektronik durch den Einsatz bei Photovoltaikanlagen bereits bekannt und dementsprechend ausgereift.
Beim AC-bidirektionalen Laden trägt das Auto die nötige Technik mitsamt den Folgen : Das Gewicht des Wagens geht nach oben, zudem erhöht sich die Komplexität des Fahrzeugs und damit die Produktionskosten. Da der Automobilhersteller in der Pflicht ist, auf die möglicherweise sehr unterschiedlichen regionalen Netzanschluss-Richtlinien der Strombetreiber beziehungsweise Länder zu reagieren, erhöhen sich die Kosten für das Fahrzeug. Die Wallbox ist allerdings günstiger als bei der DC-Variante, muss aber auch speziell mit dem Fahrzeug kommunizieren, sodass nicht jede Wallbox in Frage kommt. Mit einer auf EU-Ebene geplanten Vereinheitlichung der Netzrichtlinien kann auch AC Sinn ergeben, da ein Hersteller viel bessere Einkaufskonditionen und Preise vor Kund:innen realisieren kann als diese im Elektroinstallationshandwerk üblich sind.
Ein bereits lange diskutiertes Problem ist mittlerweile gelöst: Der CCS-Stecker beziehungsweise das dahinterliegende Kommunikationsprotokoll ist – wie die japanische CHAdeMO-Variante schon seit 2011 – nun seit April 2022 für das bidirektionale Laden ausgelegt . Der neue Standard kann bei einigen Fahrzeugen per Over-The-Air-Update aufgespielt werden. Es wird jedoch noch einige Zeit dauern, bis alle Komponenten reibungslos miteinander kommunizieren und funktionieren.